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Wenn die Rente für pflegende Angehörige nicht mehr reicht
Aktualisiert am 01.01.2024 | Lesezeit 4 Min.
Wer Angehörige pflegt, riskiert in Altersarmut zu enden. Und das, obwohl die Ausgleichszahlungen der Pflegekassen im Jahr 2017 angehoben wurden. In der Praxis bleibt trotzdem häufig weniger übrig, als die pflegenden Angehörigen selbst zum Leben brauchen. Zumeist sind es Frauen, die häusliche Pflege übernehmen und dadurch arm werden. Nur unter bestimmten Bedingungen bekommen sie überhaupt finanzielle Unterstützung in ihrer Situation.
„Die letzten Monate vor dem Tod meines Vaters habe ich gar nicht mehr geschlafen, weil ich immer gelauscht habe, wie es ihm geht“, erinnert sich Gisela Breuhaus. Als ihr Vater zum Pflegefall wurde, war für sie klar: Familie ist wichtiger als ein Job. Für die Zeit, in der sie ihren Vater pflegte, war die Pflegekasse für ihre Rentenansprüche zuständig. Diese Ausgleichszahlungen für sie als pflegende Angehörige fielen jedoch kaum ins Gewicht. Als später ihr Exmann auch noch pflegebedürftig wurde, musste sie sogar komplett auf Rentenbeiträge verzichten. Denn die Pflegekasse weigerte sich, ihrem damaligen Ehemann eine höhere Pflegestufe zu gewähren. Gisela Breuhaus fehlte in dem Moment schlicht die Kraft, um auch noch gegen die Bürokratie anzukämpfen: „Ich bekam damals selbst Chemo, da denken Sie nicht an so einen Quatsch.“
Wie der ehemaligen Verwaltungsangestellten geht es vielen Menschen, die ihre Angehörigen pflegen. Um acht bis 31 Euro erhöht sich die monatliche Rente pro Pflegejahr. Voraussetzung ist mindestens Pflegegrad 2 sowie zehn Stunden Pflegeaufwand pro Woche. Wer professionelle Pflegedienste in Anspruch nimmt, reduziert diesen Anspruch direkt wieder um 15 bis 30 Prozent. Dazu reicht es, dass eine Tagespflege oder ein ambulanter Pflegedienst bei der täglichen Körperhygiene hilft.
Werden Pflegesachleistungen wie ein Pflegedienst komplett oder als Kombinationsleistung in Anspruch genommen, reduziert sich die Rentenzahlung um 30 bzw. 15 Prozent. (Stand: 2019)
Susanne Hallermann von der Interessenvertretung pflegender Angehöriger „wir pflegen e.V.“ bezeichnet die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige daher als nicht armutsfest. Das weiß die gelernte Krankenschwester auch aus eigener Erfahrung: „Um meine Oma zu pflegen, musste ich meinen Job kündigen und geriet dadurch von einem Tag auf den anderen in den Hartz-IV-Bezug.“ Dadurch ist jetzt schon klar, dass ihre Rente später einmal nicht reichen wird.
Heute macht Hallermann Öffentlichkeitsarbeit in dem Verein mit dem Ziel, pflegenden Angehörigen wie Gisela Breuhaus eine Stimme zu geben und auf deren Probleme aufmerksam zu machen. Breuhaus hat insgesamt 16 Jahre ihren nach einem Schlaganfall behinderten Vater und ihren lungen- und herzkranken Exmann gepflegt, zeitweise sogar beide parallel. Auch, als sie aufgrund ihrer eigenen Krebserkrankung eine Chemotherapie erhielt, war sie rund um die Uhr für die beiden Männer da. Durch die Lücke in den Rentenbeiträgen, die von der Pflegekasse nicht aufgefangen wurden, ist die 69-Jährige heute auf Grundsicherung angewiesen. Ihre knapp 500 Euro Rente reichen nicht zum Leben.
Dass Altersarmut immer noch weiblich ist, zeigen nicht nur die Fälle von Gisela Breuhaus und Susanne Hallermann. Neben Erziehungszeiten und geringeren Einkommen liegt das auch daran, dass Frauen über 80 Prozent der häuslichen Pflege übernehmen. Das erschwert gleich in mehrfacher Hinsicht die Rückkehr ins Berufsleben für die pflegenden Frauen. Bei Gisela Breuhaus kamen mehrere solcher Faktoren zusammen: Sie war alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen mit ADHS und hatte einen Mann, der keinen Unterhalt zahlen konnte. Obwohl sie im Laufe ihres Lebens mehrere Abschlüsse und Ausbildungen absolvierte, um „beruflich in Bewegung zu bleiben“, schaffte sie es aufgrund der Belastungen nicht, wieder einen Job zu erhalten.
Heute sitzt Breuhaus selbst im Rollstuhl. Ihre Gelenke hätten irgendwann einfach nicht mehr mitgemacht, sagt sie. Das seien die körperlichen Spuren, die ihr von der langjährigen Pflegearbeit geblieben sind. Trotzdem sei sie eine Kämpfernatur geblieben und engagiert sich sozial – unter anderem für Menschen mit Behinderung und gegen Armut in Deutschland. „Es geht nicht um mich, es geht um die Sache“, betont sie, „ich kenne Frauen, die nicht einmal 200 Euro Rente bekommen. Das kann doch nicht sein.“
Von der Politik wünscht sie sich, dass noch mehr dafür getan wird, Frauen im Beruf die gleichen Chancen einzuräumen wie Männern. Außerdem sollten Erziehungs- wie Pflegezeiten stärker finanziell honoriert werden. Die Pflege von Angehörigen sei oft anstrengender und aufreibender als ein Fulltime-Job. Dabei spare der Sozialstaat viel Geld durch die Pflegearbeit, die von Angehörigen übernommen wird und ohne die das ganze System zusammenbrechen würde, sagt sie: „Dass man dafür eine ausreichende Rente bekommt, wäre doch das mindeste.“
Auch Rentner können unter bestimmten Umständen Rentenbeiträge erhalten und so ihre eigene Rente erhöhen!
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